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Über die Bewusstwerdung und Überwindung von Selbsthass
Wenn man psychopathisch ist, dann hat man ein Wesen in sich, das Freude an der Bösartigkeit empfinden kann. Besonders an der eigenen. Es ist nicht so, dass man nicht wüsste, dass das, was man denkt, fühlt und anstrebt, bösartig / gewaltaffin ist. Nein. Man weiß es. Als ich noch gespalten war in mein Alltags-Ich (Frau Seltsam / die Emotionale) und den beherrschenden, aus dem Hintergrund regierenden Anteil (das Dunkel / die Psychopathische), da hatte ich kein bewusstes Selbst. Und selbst "das Dunkel" wurde von "Frau Seltsam" iaR nicht bewusst benannt, bis negiert. Das Dunkel kokettierte mit "dem Bösen", war zutiefst affin, was das Abseitige anging. Und Frau Seltsam fürchtete es, aber so sehr sie es fürchtete, so sehr brauchte sie es. Ich kam nicht mit mir selbst zusammen, war fragmentiert. Es ist noch gar nicht so lange her. Ich versuchte seit sehr langer Zeit die Spaltung aufzuheben. Einerseits. Andererseits fürchtete ich mich davor, weil ich annahm, nur halb bewusst, dass das meine Bösartigkeit komplettieren könnte. Das nichts in mir bleiben würde als kalte Berechnung. Und zuerst sah auch alles danach aus. Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens. Schlimmer als der Missbrauch, schlimmer als alles. Ich trieb hilflos in mir selbst, dissoziiert und verloren.
In der darauf folgenden Zeit fügten sich völlig neue Strukturen in mir zusammen. Entstand "das Konstrukt" in mir. Eine Art Alien-Maschine, die sich selbst optimiert und umbaut. Eine Form der höchstpersönlichen Evolution. Und mittlerweile lernte ich, dass ich darin eingreifen kann und wie. Mir wird offenbar, dass ich Hass, Zorn, Gewaltpotenzial generell, Bösartigkeit generell, in mir besänftigen kann, indem ich aufhöre mich selbst zu verabscheuen. Mir war gar nicht bewusst, dass ich das getan habe. Ich dachte immer, mein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl wären über alle Maßen stabil. Bis ich mich in die Beobachterposition begab und mir zuschaute. Eruierte, auf was ich gereizt reagiere, was mich erzürnt, abstößt, was ich verachte und was bei mir regelrechten Vernichtungswillen auslöst. Alles das fand ich in mir selbst vor. Es war das, was ich als meinen "quasi Pferdefuß", als schwach, angreifbar und weich erlebe. Das, was ich nie hatte haben wollen und was mir doch so abgeht. Ich begriff, dass ich mich hasste, dafür, mich selbst zu hassen. Mir selbst gegenüber weder integer noch loyal zu sein, sondern mich, im Gegenteil fortgesetzt selbst zu boykottieren. Mir den Zugang zu einer Partnerschaft zu blockieren, mir so unendlich viel wegzunehmen, um zu verhindern, dass ich schwach würde und damit angreifbar.
Als ich dann einen Partner zu mir ließ, wurde dieser der verstärkende Spiegel, meiner Abscheu für mein eigenes "so Sein". Ein Psychopath, ein Monster. Mir war gar nicht klar, als was ich mich und damit auch ihn angesehen habe (und das zum Teil noch immer tue). Die Schablone des (Selbst)Hasses, mitten in meinem Kopf. Und immer mehr wurde mir klar, dass es nur einen Weg für mich geben kann.
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Die Lösung ist so simpel wie komplex: Die unbedingte Annahme, dessen, was ist. Ohne Wenn und Aber. Die mentale Position meines Selbst. Der ungerührte Betrachter. Und damit die größte Stärke meines Fundamentes, meines Selbst. Diese Drittinstanz, die oft so schildkrötig müde ist, weil sie das alles bereits kennt. Sie kann mir all das beantworten und das tun, was aus mir ein Schmusekätzchen macht; für meine Verhältnisse. Sie kann mich versöhnen. Besonders die beiden Kampfhennen in mir, die entmachtet sind und das noch immer nicht gerne zugeben mögen. In mir regiert das, hinter dem Primärdamm, wo mein Partner so gerne hin will. (Und mittlerweile längst ist.)
"Ich will dorthin, wo bisher nur du bist." .. Ja, ich. Aber es nicht mein Ego. Das ist in den beiden Schwestern impliziert. Worüber wir hier reden, das ist ein innerer Kern. Etwas, was sich bewahrte, die nicht korrumpierte Kernkompetenz meines Wesens. Manche nennen das womöglich Seele. Das Gehirn ist ein komplexes Ding. Es kann sich verändern. Neue Verknüpfungen bilden, andere stilllegen. Der Körper korreliert mit dem Geist. Wer es nicht wenigstens versucht, der ist von vorneherein gescheitert. Zumindest zu schauen, wie weit man überhaupt kommen könnte. Mir kamen all die Jahre Therapie endlich zugute, nach der Aufhebung. Sie flossen in die neue Struktur, die dadurch rasend schnell entstehen konnte. Es gab bereits alle Puzzleteile, sie mussten sich nur zusammenfügen.
Was also ist hinter dem Damm? Und was wird passieren, wenn ich die Alienmaschine in mir immer weiter beackere, im Sinne des Etwas hinter dem Damm? Das keinen Hass kennt, keinen Zorn, keine Liebe, keine Trauer - wie unberührter Schnee? Das nur eines kennt, das reine Dasein. Und das weiß, dass alles genau so ist, wie es sein soll. Auch in mir und mit mir? Dass alles ein Weg ist, der steten Veränderung. Und je unaufgeregter man sich dorthin orientiert, wo es einen hinzieht, um so größer die Chance, dort zu landen, wo man das bestmögliche Ergebnis für sich erzielen kann.
Vielleicht will er deshalb dorthin und den Fuß in den Schnee setzen. Dort gibt es keinerlei Urteil. Dort werde ich ihn nehmen, wie er ist, absolut. Die unbedingte Annahme, dessen was (jetzt) ist. Das kann man Liebe nennen, muss man aber nicht. Jedoch tendiere ich dazu, es zu tun.
Was ist überhaupt Liebesfähigkeit?
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Habe Mut. Es gibt weder Drachen, noch Speere, noch glühende Kohlen. Du hast zu viel Fantasie. Ich schaue mich um. Wieder meine alte Freundin und größte Waffe, die Visualisierung. Sie ist wie Nebel. Innenweltnebel, der Geist meiner eigenen Ewigkeit. Sie sieht aus wie ich. Sie ist nackt und sie trägt bereits das Tattoo, auf das ich so sehnsüchtig warte. Mit einer weit ausholenden Handbewegung teilt sie den Damm, der sich endlos in den Himmel schraubt. Der Riss ich groß genug. Tritt ein..
Hinter dem Damm liegt eine endlose weiße Fläche. Unberührt. Es ist eiskalt, der Atem kondensiert in großen Wolken. Ich stehe als nackte Variante neben mit. Friere nicht und lächle. Willkommen Zuhause. Ich lasse den Blick schweifen. Hinter mir der gefrorene Wall, der keinen Anfang und kein Ende kennt. Vor mir reines, dunstiges Weiß, ebenfalls endlos. Ich schaue meinen nackten Zwilling fragend an. Die nickt und meint: Verstehst du nicht? Das ist alles. Unschuld. Unschuldiger, unberührter Raum. Der Raum um etwas zu erschaffen, etwas Neues. Das letzte unbesetzte Land in dir. Hier regiere ich. Ich bin du, wie du immer gedacht warst und wie du dich selber denkst.
Ich habe mich also selbst noch gar nicht gedacht? Nur das Tattoo, das will ich, das weiß ich. Und sonst weiß ich nichts über mich? Sie lächelt. Es sieht ganz so aus.
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Einschub:
Psst.. das Tattoo ist ein Herzenswunsch. Das ist das Geheimnis.
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Fang an:
Wirk|lich:sam ich selbst sein können. Done.
Den Raum dafür erschließen. Done.
Zurück zum Anfang, wo alles noch ist, wie es gedacht war. Ursprünglich. Done.
Den Raum füllen? Ja. Mit Herzenswünschen? Ja.
Und dann?
Willkommen Marina, dort wo du hingehörst und bist, wer du sein willst.
So einfach? Einfach so?
Die einfachsten Dinge sind oft die Schwierigsten.
Was passiert mit dem Damm?
Hier ist der Schlüssel. Es gibt eine Tür.
Na danke. Schön, dass ich das auch mal erfahre.
Aber bitte. Gerne.
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Das Selbst ist also eine Art innerer Raum, wenn ich das richtig verstanden habe. Einer, der von meiner (gestörten) Persönlichkeit unabhängig existiert. Unschuld. Oh Jesus, alleine das Wort macht was mit mir. Da steckt so viel Verletzungspotential drin, das macht mich ganz knurrig innerlich, besonders wenn es sich auf mich selbst bezieht. Auch der Umstand, dass mir mein visualisiertes, ungestörtes / unverstörtes Ich einen ganzen Raum davon offeriert. Unschuld ist für mich Reinheit. Wer wäre besudelter als ich? Unberührter Schnee, rein, weiß - hinter dem größten Abwehrwall, der in mir existiert. Ohne Spuren, spurlos verschwunden aus meiner Wahrnehmung, für so lange Zeit. Ich habe mich vor mir selbst in Sicherheit gebracht, zumindest diesen Teil von mir. Das liest sich echt schräg. Jedenfalls ist da drin Ruhe. Das verstehe ich jetzt. Dort hinein gelangte nichts. Es ist auch fraglich, was passieren wird, wenn ich beginnen werde damit zu arbeiten?
Ist dieser Raum verstörbar? Ist er zerstörbar? Meine Persönlichkeit ist nicht gesund. Werde ich das nun, einem Virus gleich, in dieses Selbst hineintragen? Oder wird dieses Selbst mich weniger krank sein lassen? Bin ich überhaupt noch krank? Oder einfach nur anders? Anders als was? Ich meine, wenn ich mich so umschaue, dann hat doch grundsätzlich jeder seinen höchstpersönlichen Sprung in der Schüssel. Mal ganz von den vielen verschiedenen Schüsselformen und deren Musterungen abgesehen. Ich habe halt diese Schüssel im Giger-Style mit jeder Menge Macken und Sprüngen. Aber sie hält noch dicht und funktioniert. Das Müsli kann man sich daraus verabreichen, sogar mit reichlich Milch. Ich haue meist noch frische Banane, Walnüsse, Zimt und Honig mit rein.
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Ich glaube, das eigentliche Problem, das jemand wie ich mit der Selbstannahme hat, ist das Wissen, dass ich eben nicht edel und gut bin. Ich kann mir das nicht einmal einreden, weil ich mich damit gar nicht wohl, geschweige denn sicher fühlen würde. Wäre ich ein wahrhaft edler und guter Mensch, ich wäre sowas von geliefert. Dazu muss man sich nur mal wachen Auges umsehen. Und die Menschen, die am lautesten proklamieren, dass sie edel, gut, moralisch und ach so integer wären, das sind iaR die, um die man besser einen weiten Bogen macht, sind einem die eigenen Nerven lieb. Dann kommt noch hinzu, was über Persönlichkeitsstörungen so im Umlauf ist. Man übernimmt das, wie Umweltgift, das sich nach und nach in einem anreichert. Unmerklich. Und wenn man nicht andauernd aktive Entgiftung betreibt, dann hält man sich irgendwann selbst für ein prädestiniertes / determiniertes A*schloch. Man wird zu einer wandelnden Diagnose. Nicht nur in der Wahrnehmung der Umwelt, das ginge ja noch. Sondern in der eigenen Wahrnehmung. Und dort beginnt der Selbsthass dann noch ausufernder zu blühen.
Wenn ich dann teilweise diesen hanebüchenen Schwachsinn lese, den irgendwelche selbsternannten Experten (meist irgendwelche Exen deren Beziehungen scheiterten, aber mitunter tatsächlich auch Personen, von denen man, aufgrund ihrer Bildung, deutlich Differenziertes erwarten sollte) publizieren / ins Internet ergießen, dann stellen sich mir die Nackenhaare. Natürlich stellt sich kein Psychopath hin und spricht von Selbsthass. Den nimmt er gar nicht wahr, weil er genau das vermeiden will. (Hinzu kommt, dass jeder Psychopath grandios narzisstisch ist. Erzähle man einem grandiosen Narzissten, er hasse sich selbst, was paraphrasiert sowas wie "arme Wurst" bedeutet und man kann den Narzissten so gründlich am Arsch lecken, das hält für alle Ewigkeit.) Darum geht es schließlich im Wesentlichen.
Jemand mit solch gearteter Persönlichkeit(sstörung) bekommt halt zwischendurch mal einen Wutanfall, betrinkt sich, nimmt ein paar illegale Drogen, gönnt sich eine SM-Session mit dem Partner, rast über die Autobahn, initiiert eine nette kleine Intrige mit irgendwem, ist schlicht ätzend zu seinen Mitmenschen u. ä. m. - fertig. Er kanalisiert. Und er fragt sich nicht, was er da kanalisiert. Das, ihr Knallchargen, ist doch das Wesen einer gestörten Persönlichkeit. Kompensation, weil etwas (das Gestörte) Schieflagen erzeugt, die instinktiv aufgefangen werden. Und dann lese ich, ein Psychopath wäre immer mit sich selbst zufrieden, selbstgerecht, stünde quasi über den Dingen. Einen der besten Sätze fand ich auf einem Börsenportal. Dort stand sinngemäß: Der normale Broker erschießt sich, verursacht er einen unüberschaubaren Schaden, der Psychopath geht nach Hause und schläft sich erst mal gründlich aus.
Wer zur Hölle verfasst so einen Unfug? Was ist ein Psychopath? Der Gott der Gelassenheit, dem es den Kick gibt, alles in Schutt und Asche zu legen und der erst dann gut schlafen kann? Einerseits wird dämonisiert und gleichzeitig ikonisiert, eine fatale Kombination, hinter der das Eigentliche völlig verschwindet. Da könnte man auf die Idee kommen, es wäre ein Vergnügen, wäre man ebenfalls derartig gestört. Welche extremen Einbußen an Lebensqualität daraus entstehen, das verbleibt im Hintergrund. Logisch, es geht doch genau um die Vermeidung bestimmter Zustände, die automatisch auftreten würden, würde das Spüren der inneren Schieflage zugelassen. Das jedoch verhindert die Konstitution des Betreffenden, die auf Vermeidung und Kanalisation programmiert ist. Und jemandem, der sehr genau wahrnimmt, wie er seiner Umwelt und deren Leiden überlegen ist, weil er nicht leidet und fühlt, wie diese fühlt und (von seiner Warte aus) an diesem Fühlen leidet, eben dieses Fühlen schmackhaft machen zu wollen, ist ein Irrwitz in sich. Warum sollte jemand freiwillig leiden wollen? Also bleibt es, wie es ist.
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Es hat lange gebraucht, bis ich endlich erfassen konnte (im reinen Sinne von Fassen), dass "das Bösartige" in mir reiner Selbsthass ist. Ich würde rückblickend behaupten, dass das eine der größten Kröten war, die es zu schlucken galt. Und deshalb war sie auch eine der letzten, auf meinem bisher so langen Weg. Ich musste erst ein Selbst in mir erkennen / spüren / fassen / annehmen können, etwas, das unabhängig von meinem Ego existiert, um diesen gedanklichen Schritt zu vollziehen. Aus diesem Schritt ergaben sich so unendlich viele, einer inneren Logik folgende Erklärungen und Antworten, das lief wie ein Film in der Rückblende ab. Ich rekontextualisierte (m)ein ganzes Leben.
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